Im aktuellen Post gehen wir einigen Geheimnissen der Pumas (Puma concolor) auf die Spur. Mit diesem Wissen im Gepäck begeben wir uns dann gedanklich ganz an den südlichen Zipfel des Südamerikanischen Kontinents, nach Patagonien. Dort gibt es den wohl weltweit besten Ort, um diese faszinierenden Tiere in der Wildnis zu beobachten.
Anpassungskünstler Puma
Pumas leben im gesamten westlichen Teil Amerikas, von Südkanada über Mittelamerika bis ganz hinunter nach Patagonien. Trotz ihrer enormen Verbreitung sind sie auch heute noch relativ unbekannte Tiere. Soviel steht aber fest: Gerade ihre extreme Anpassungsfähigkeit und ihre Tarnkünste dürften einen wichtigen Teil zu ihrem Erfolg beigetragen haben. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Auch wenn ein ausgewachsener Puma eine beeindruckende Körpergrösse aufweist, wird er der Unterfamilie der Kleinkatzen zugeordnet. Er ist grundsätzlich ein Einzelgänger, der sich nur zur Paarungszeit mit anderen Individuen trifft. Neuere Erkenntnisse haben jedoch gezeigt, dass insbesondere die Weibchen relativ tolerant sind gegenüber ihren Artgenossinnen. So wurde bspw. mehrfach beobachtet, dass sich bis zu 10 Pumaweibchen ein einziges Beutetier teilen. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Pumas sind Generalisten. Sie haben einen vielfältigen Speiseplan und fressen, was sie in ihrem Umfeld finden und erlegen können. Aas jedoch mögen sie nicht. Auch Reptilien gehören nicht zu ihren Leibspeisen. In Patagonien ernähren sich die Pumas vorzugsweise von Guanakos (Lama guanicoe). Je nach Jagderfolg müssen sich aber durchaus auch Hasen, Kaninchen, Füchse und Vögel in Acht nehmen. Ansonsten enden auch sie plötzlich in den Krallen dieser Wildkatze.
Harte Schale, weicher Kern
Über kurze Strecken kann ein Puma sehr schnell laufen. Allerdings tut er dies nicht gerne und auch nicht oft. Folglich beruht seine über Jahrtausende entwickelte Jagdstrategie auf dem Anpirschen der Beute und einem kurzen aber intensiven Überraschungsangriff. Dabei konzentriert er sich auf den Hals der Beute. Mit einem gezielten Biss in den Hals soll ihm die Luftröhre durchgetrennt werden.
Absolut faszinierend finde ich, wie die Pumas mit ihrer erlegten Beute umgehen. Um sie möglichst von ungewollter Konkurrenz fernzuhalten, decken sie sie nach dem Fressen mit grösster Sorgfalt zu. Dazu verwenden sie Gräser, Moose oder dünne Äste von Sträuchern, sodass letztlich – wenn überhaupt – nur noch die Beine des Beutetiers hervorschauen. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Um ihrer natürlichen Lebensweise nachkommen zu können, brauchen Pumas ein Streifgebiet von 50 bis 1000 km². Männchen beanspruchen dabei ein klar grösseres Revier als Weibchen. Durch ihre Territorialität und ihren Alleingang limitieren sie sich selbst in der Anzahl, die in einer gewissen Gegend langfristig überleben kann. Pumas sind untereinander sehr friedliche Tiere. Sie verteidigen ihr Gebiet nicht mit Kämpfen. Stattdessen markieren sie es lediglich mit Kot- und Harnspuren. Unter Katern kann es jedoch zur Ranzzeit zu heftigen Kämpfen kommen.
Pumas sind mit knapp zwei Jahren geschlechtsreif. Das Weibchen bringt nach einer Tragzeit von drei Monaten in der Regel zwei bis vier Junge zur Welt. Bei der Geburt sind diese noch blind und öffnen ihre Augen erst nach rund zehn Tagen. Nach eineinhalb Jahren trennen sich die Jungtiere von ihrer Mutter und gehen künftig eigene Wege.
Estancia Laguna Amarga in Patagonien
Die Estancia Laguna Amarga mit ihren rund 70 km² befindet sich gleich angrenzend an den berühmten Torres del Paine Nationalpark in Patagonien, im Süden Chiles. Dies ist zweifelsohne einer der besten Orte überhaupt, um Pumas in freier Wildbahn zu beobachten. Bis es soweit gekommen ist, vergingen jedoch turbulente Zeiten und die Estancia musste sich gleich zweimal quasi von null auf wieder aufrichten.
Turbulente Vergangenheit
Laguna Amarga war von 1893 bis 1973 Mitglied der Sociedad Explotadora de Tierra del Fuego. Diese Gesellschaft wurde gegründet, um die Viehwirtschaft der Region Magallanes sowohl auf der Grossen Insel Feuerland wie auch auf dem Kontinent zu fördern. Kurz nach Auflösung der Gesellschaft, im Jahre 1976, kauften Juan Goic und seine Frau die Estancia und betrieben fortan vor allem Schafzucht.
Diese Aktivität war in Patagonien noch nie einfach. Gibt es doch seit jeher Pumas, die je nach natürlicher Nahrungsverfügbarkeit auch hin und wieder Schafe reissen. Über viele Jahre bis in die unmittelbare Vergangenheit (oder sogar bis zur Gegenwart…?) war es daher gang und gäbe, dass regelmässig Pumas geschossen wurden. Damit wollte man verhindern, dass ihnen zu viele Schafe zum Opfer fallen würden. Insgesamt lief die Schafzucht der Goic’s aber recht gut. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Bis sich 1995 das sogenannte Weisse Erdbeben ereignete. Ausserordentlich intensive Schneefälle legten weite Teile Patagoniens unter eine meterdicke Schneedecke. Als direkte Folge davon starben rund ein Viertel der Schafe und ein Fünftel der Rinder, primär infolge Futtermangels. Auch die Estancia Laguna Amarga blieb nicht davon verschont. Sie verlor durch das “Terremoto Blanco” rund 80 % ihres Schafbestandes. Dank Beharrlichkeit und mit Geduld richteten sie sich langsam aber sicher wieder auf und führten ihre Schafzucht weiter, wenn auch mit deutlich weniger Tieren als bisher.
2005 dann zog das nächste Unglück über die Gegend. Ein von Menschen verursachter Wald- und Buschbrand zerstörte 140 km² Land, wovon deren 20 km² zur Estancia Laguna Amarga gehörten. Gebäude wurden zwar keine geschädigt, doch wurden grosse Flächen an Buschland vernichtet.
Ideale Bedingungen für Pumas und Besucher
Warum aber erzähle ich Ihnen all das? Nun, diese zwei Grossereignisse bestimmten das Los der Estancia Laguna Amarga wesentlich mit. Erstens wird hier seit rund einem Viertel Jahrhundert vor allem infolge des Weissen Erdbebens nur extensive Viehwirtschaft betrieben. Ferner ist die Topografie der Estancia ein wichtiges Element für die Pumas bei der Wahl ihres Lebensraumes. Das Gebiet weist sowohl Hügel wie auch Täler und Ebenen auf. Zudem befinden sich dort mehrere Lagunen und sie hat direkten Anstoss an den Sarmiento See. Weitere Faktoren wie die sehr begrenzte menschliche Präsenz (im Gegensatz bspw. zum angrenzenden Nationalpark) und das grosszügige Nahrungsangebot schliesslich runden die idealen Lebensbedingungen für die Pumas ab. Rund 25 bis 30 Individuen werden regelmässig auf dem Gebiet der Estancia gesichtet.
Zudem wird das Gelände von einer Graslandschaft dominiert. Gebüsche oder gar Bäume fehlen aufgrund des Brandes von 2005 fast gänzlich. Dies macht das Auffinden und Beobachten der Katzen natürlich deutlich einfacher. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Respektvoll, miteinander und nachhaltig
Die beiden Schwestern Daneska und Dania, Töchtern des Estancia-Besitzers Juan, leiten heute im Rahmen ihrer Unternehmung La Leona Amarga Expeditions die Beobachtung und den Schutz der Pumas auf ihrer Estancia. Im Gespräch erwähnt Dania immer wieder, was für ein enormes Privileg es doch sei, diese elegante Katze in ihrem natürlichen Habitat auf verantwortungsvolle Art und Weise beobachten zu können. Nicht erstaunlich ist daher, dass ihr Handeln auf Werten wie Respekt, Koexistenz, Nachhaltigkeit, Sicherheit aller Beteiligten sowie Privatsphäre der Tiere beruht.
Gefragt nach ihrem eindrücklichsten Erlebnis mit einem Puma überlegt sie einen Moment. Dann sagt sie, die Natur höre nicht auf, sie zu überraschen. Jeder Tag sei anders als der vorangehende und anders als der nachfolgende; die gesichteten Individuen, ihr Verhalten, das Licht, das Wetter etc. Dies sei eigentlich schon eindrücklich genug. Wenn sie aber doch noch etwas konkreter sein sollte: Das erstmalige Beobachten eines dominanten Pumamännchens sei wohl einer der beeindruckendsten Momente überhaupt. Seine schiere Grösse, die intensive Färbung seines Felles, seine Ausstrahlung, seine Macht. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Pumabeobachtung im wilden Patagonien
Insbesondere im Sommer beginnt die Pumabeobachtung auf der Estancia Laguna Amarga sehr früh. Die Pumas sind nämlich dämmerungsaktiv. Sie profitieren davon, dass ihre Beute (hier ist dies primär das Guanako) bei schwachen Lichtverhältnissen ein reduziertes Sehvermögen hat. Bei rund 51° südlicher Breite heisst dies, dass wir spätestens um ca. 5:30 Uhr im Gelände sein sollten. Die Pumaaufspürer sind dann bereits an der Arbeit. Basierend auf deren Erfahrungen und neusten Erkenntnissen machen nun auch wir uns auf die Suche nach diesen eleganten Katzen.
In einem ersten Schritt bedeutet dies, dass wir das Gelände mit dem Fernglas und von der Strasse aus minutiös absuchen. Diese Phase kann dauern und dem Besucher entsprechend Geduld abverlangen. Es ist daher wichtig, dass sich die Gäste bewusst sind, dass bei der Pumabeobachtung die Tiere in der freien Wildbahn die Hauptakteure sind. Die Estancia hat eine Fläche von rund 70 km². Entsprechend viel Raum haben die Pumas, wo sie sich potentiell aufhalten können. Zudem ist die Farbe ihres Felles exzellent an die Umgebung angepasst, was ein Auffinden nicht ganz einfach macht.
Umso eindrücklicher und faszinierender ist dann aber dafür das Erlebnis, den entdeckten Puma in seinem natürlichen Umfeld und mit all seinen Facetten beobachten zu können. Überdies ist die “pumalose” Zeit keineswegs verlorene Zeit. Die Landschaft ist schlicht grandios und lädt ein zum Geniessen und Fotografieren. Der tiefblaue Sarmiento See, das imposante Painemassiv und die zahlreichen Hügel, welche von einer abwechslungsreichen Steppenvegetation überzogen sind, lassen jedes Besucherherz höher schlagen.
Es ist wichtig, die Privatsphäre des Pumas zu respektieren. Weder er noch die anderen Tiere dürfen auf irgendwelche Art gestört resp. aus dem Konzept gebracht werden. Auch ist die Sicherheit aller Beteiligten ein absolut zentraler Aspekt. Die Pumabeobachtung findet daher stets aus verantwortungsvoller Distanz statt. Nach einer gewissen Zeit ziehen wir uns zudem wieder zurück, auch wenn das Tier nach wie vor in unserem Blickfeld ist. Aus dem gleichen Grund verlassen wir auch die Estancia spätestens nach rund drei Stunden und kehren erst gegen Abend für eine zweite Session zurück.
Zu jeder beliebigen Jahreszeit
Pumabeobachtung kann das ganze Jahr über stattfinden. Die Tiere sind ganzjährig vor Ort und in etwa gleich aktiv. Daher hängt die Wahl des idealen Zeitpunkts für eine Pumareise primär von den Vorlieben und Wünschen des Besuchers ab. Bevorzugen Sie den Sommer mit sehr viel Tageslicht und etwas angenehmeren Temperaturen, jedoch i.d.R. mehr Wind sowie sehr früh beginnenden resp. spät endenden Sessionen im Gelände? Zudem besteht im Sommer die Chance, noch sehr kleine Jungtiere zu sehen. Möchten Sie im Winter reisen, um vom hervorragenden Licht zu profitieren und womöglich die Pumas im Schnee zu beobachten? Interessiert Sie der Frühling mit seiner imposanten Blumenpracht? Möchten Sie den patagonischen Herbst mit seinem warmen Licht und dem farbigen Blattwerk an den Bäumen erleben? Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Kulisse für Dokumentarfilme
Die Estancia Laguna Amarga und der angrenzende Nationalpark Torres del Paine sind schon mehrfach von renommierten Filmcrews als Kulisse für Dokumentarfilme über Pumas ausgesucht worden. Die hochkarätigsten von ihnen kamen im Auftrag von National Geographic und erst kürzlich von der britischen Produzentin BBC. Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Eine gezielte und sorgfältig kultivierte Zusammenarbeit mit Medien hilft der Estancia, ihre Konservationsbestrebungen zu festigen und auf ein breiteres Fundament zu stellen. Solch spektakuläre Aufnahmen von Pumas in ihrem natürlichen Lebensraum und intimsten Alltag können das Bewusstsein um die Wichtigkeit, die Gegend mit seinen Bewohnern zu schützen und möglichst frei von menschlichen Einflüssen zu belassen, stärken.
Hoffen wir, dass sich auch andere Estancias in Patagonien, sowohl in Chile wie auch in Argentinien, vom mutigen Beispiel der Estancia Laguna Amarga inspirieren und mitziehen lassen. Puma Patagonien Beobachtung Paine
Schafzucht oder Pumas? – Schafzucht UND Pumas!
Ach, und wie sind denn nun die Erfahrungen von Laguna Amarga betreffend Vereinbarkeit von Schafzucht und Pumas auf ein und derselben Estancia? Schlüsselelemente sind zweifellos der Respekt gegenüber der Natur und überhaupt der Wille, ein Miteinander von Schafen und Pumas zu ermöglichen. Die Umsetzung beginnt dann vermutlich bei der Reduktion der Intensität der Viehwirtschaft. Kleine Schafherden beanspruchen den Boden weniger und brauchen weniger Nahrung als Herden von zigtausend Tieren. Daher ist es möglich, dass auch Guanakos auf der Estancia leben, ohne dass plötzlich das Gras knapp wird. Hat es in einem Gebiet genügend Guanakos, können die Schafe beruhigter sein. Das primäre Beutetier des Pumas ist nämlich das seit jeher hier vorkommende Guanako, nicht das erst später von Menschenhand eingeführte Schaf. Und schliesslich kommen auch Hirtenhunde zum Einsatz, welche gezielt auf die Aufgabe als Herdenschutzhunde ausgebildet worden.Puma Beobachtung im wilden Patagonien
Lesetipp
Jim Williams et al.: Path of the Puma. The Remarkable Resilience of the Mountain Lion. Kanada, 2018.
Pumas im wilden Patagonien
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