Feuerland, die sagenumworbene, vielfältige Insellandschaft am Ende der Welt, ist wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer Abgeschiedenheit und dünnen Besiedelung ein weitgehend unbekanntes Juwel. Jedoch gerade diese unendlichen, menschenleeren Landschaften sowie die beachtliche geomorphologische und biologische Diversität haben die Grosse Insel Feuerland (die mit Abstand grösste Insel des Feuerland-Archipels) zu einer meiner Lieblingsregionen in diesem sonst schon imposanten Teil Südamerikas werden lassen.
Als Magellan vor 500 Jahren auf seiner Weltumrundung durch die Gegend segelte, sahen er und seine Mannschaft keine Siedlungen im Feuerland-Archipel. In der Nacht hingegen verrieten verschiedentliche Feuer die menschlichen Präsenz, was dieser Ansammlung von Inseln letztlich auch ihren Namen gab.
Punta Catalina liegt an der nordöstlichen Spitze der Grossen Insel Feuerland, wo die Magellanstrasse in den Atlantik mündet. Der flache Sandstrand breitet sich bei Ebbe bis weit ins Meer hinaus aus. Westlich dieser Landspitze befindet sich mit der Bahía Lomas ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel (Ramsar). Es ist dies ein Paradies für Vogelliebhaber. Wenig östlich der Punta Catalina markiert ein Leuchtturm mit zwei gehissten Flaggen die Grenze zwischen Chile und Argentinien. Gerade eben noch auf chilenischem Gebiet gelegen, dominiert ein imposanter Fels aus weichen Sedimenten die Küstenlinie. Im Laufe der Zeit haben hier Wind und Wasser eindrückliche Strukturen aus Höhlen und Felsnasen geformt.
Bohrplattformen im Meer, Bohrtürme auf dem Land, Rohrleitungen sowie das Lager Cullen sind Zeugen von modernen und früheren Aktivitäten der Erdölindustrie. Sie mögen das Auge eines Naturliebhabers wenig erfreuen. Dieser Wirtschaftszweig ist aber eine der wichtigsten treibenden Kräfte in der Entwicklung der Insel.
Die Fahrt von Punta Catalina zur Königspinguin-Kolonie dauert rund 2.5 h und führt uns durch die typisch patagonische Steppenlandschaft. Vereinzelt kommen wir an einer Estancia vorbei. Während des grössten Teils der Fahrt sehen wir jedoch keine anderen Menschen resp. Gebäude, sondern befinden uns mitten in einer flachen Landschaft aus Sträuchern, Gebüschen und diversen Grasarten. Ab und zu passieren wir eine Schafherde. Aufgrund der mageren Vegetation verfügen hier die Tiere über riesige Landflächen, auf welchen sie – notabene das ganze Jahr über draussen – weiden und verweilen.
Häufig anzutreffen sind hingegen die Guanakos (Lama guanicoe). Anders als ihre Artgenossen auf dem Kontinent weisen die feuerländischen Guanakos im Gesicht eine sehr dunkle Färbung auf. Eindrücklich, wie sie scheinbar mühelos die rund 1.5 m hohen Metallzäune überspringen, welche in weiten Teilen der Insel zwecks Grundstückmarkierung und Einzäunung der Viehherden aufgestellt wurden. Vogelliebhaber kommen während der Fahrt auch immer wieder auf ihre Kosten. Nicht selten sitzt ein Schopfkarakara (Caracara plancus) auf einem Zaunpfahl am Wegrand oder fliegt ein Adler majestätisch seine Runden.
A propos Vögel: In der Bahía Inútil, einer enormen Bucht an der Westküste der Grossen Insel Feuerland, gibt es die einzige bekannte Königspinguin-Kolonie in Südamerika. Sie wurde 2011 unter Schutz gestellt und wird seither als privates Konservationsprojekt betrieben und gleichzeitig interessierten Besuchern zugänglich gemacht. In diesem Jahrzehnt hat sich die Pinguinpopulation mehr als verzehnfacht. Nebst den putzigen Pinguinen gibt es im Parkperimeter aber bspw. auch interessante archäologische Fundstellen, welche davon zeugen, dass bereits die Selk’nam mit und von den Königspinguinen lebten.
Bei aller Faszination für die Schönheit und Vielfalt der Grossen Insel Feuerland im Allgemeinen – Meine absolute Lieblingsecke dieser Insel ist zweifellos der Karukinka Park. “Unsere Erde”, wie sein Name aus der Sprache der Selk’nam oder Onas übersetzt heisst, befindet sich im Südwesten der Insel. Diese rund 300’000 ha unter Schutz gestelltes Land liegen eingebettet zwischen der Bahía Inútil im Norden, dem Seno Almirantazgo im Süden und Westen sowie der Grenze zu Argentinien im Osten. Die Landschaft ist geprägt von dichten Südbuchenwäldern, Torfgeländen, und Steppen; schneebedeckte Berge stehen in unmittelbarer Nähe zu Seen, Flüssen und Fjorden. Entsprechend vielfältig sind die Aktivitäten, die im Park ausgeübt werden können. Ich persönlich fühle mich gleich in einer anderen Welt, wenn ich in den Bergen wandern gehen kann.
Diese Weite, Menschenleere, und Naturverbundenheit; das grandiose Panorama, die frische Luft, die variantenreiche Fauna und Flora und nicht zuletzt die spannende Geomorphologie lassen mein (Geografen-)Herz im Nu höher schlagen. Aber auch Hobbyfischer, Vogelliebhaber, Botaniker, Fotografen, Mountainbiker oder einfach (Landschafts-)Geniesser finden im Karukinka Park mehr als genug Möglichkeiten, ihren Leidenschaften zu frönen.
Dank der unterschiedlichen Landschaftstypen ist auch die Tier- und Pflanzenwelt im Karukinka Park äusserst vielfältig. Die Torfgelände bspw. beherbergen eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, die ausserhalb dieser feucht-sauren Milieus kaum überleben können. In den Berggebieten wiederum haben die Pflanzen eindrückliche Strategien entwickelt, um dem hier herrschenden kalten, trockenen und von viel Wind geprägtem Klima zu trotzen. Die mit Abstand verbreitesten Baumarten in den Wäldern des Karukinka Parks sind die Nirre und der Coigue. Beides sind Bäume, welche sehr typisch sind für die südpatagonischen Wälder. Trotz des Schutzes, der ihnen dank ihrer Lage im Parkperimeter gewährt wird, haben sie jedoch einen hartnäckigen Feind, den sie fast nicht loswerden. Um 1950 herum wurde nämlich der Kanadische Biber (Castor canadensis) wegen seines Nutzens in der Fellindustrie eingeführt. Mangels natürlicher Feinde hat er sich seither fast nach Belieben ausgebreitet; mit den entsprechenden Schäden an den Bäumen sowie veränderten Wasserläufen.
Südlich an den Karukinka Park angrenzend befindet sich der noch junge Nationalpark Yendegaia. Dieser ist bislang weder für die Öffentlichkeit erschlossen noch offiziell zugänglich. Entsprechend ist er noch wild und kaum menschlichen Einflüssen ausgesetzt. Mit der Eröffnung der Yendegaia-Strasse wird sich dies in absehbarer Zeit aber markant ändern. Die sich noch in Bau befindende Strasse durchquert den Nationalpark und wird den Canal Beagle auf dem Landweg erschliessen, womit letztlich auch Puerto Williams näher an den Kontinent rücken wird.
Angesichts dieser Entwicklung und unter Berücksichtigung der Einzigartigkeit und Schönheit dieser Region erscheint es mir von eminenter Bedeutung, eine sorgsame, nachhaltige Nutzung dieses ursprünglichen Flecks Erde zu gewährleisten. Wir sind nur Gäste in jenem Gebiet und dürfen keine Spuren hinterlassen. Nur so können auch zukünftige Generationen den Zauber des Karukinka Parks und des Yendegaia Nationalparks mit all ihren Tieren, Pflanzen und Landschaftsformen geniessen und sich von ihnen inspirieren lassen. Und nur so kann die Natur ihrer Rolle als Grundlage für unser eigenes Dasein und für den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten nachkommen.
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