Die Halbinsel Valdes an der argentinischen Atlantikküste trumpft auf mit atemberaubender Walbeobachtung und vielen weiteren unerwarteten Naturschätzen.
Ende Oktober ist ein hervorragender Moment für eine Walbeobachtungstour im argentinischen Puerto Madryn. Die Halbinsel Valdes bietet jedoch noch sehr viel mehr als die Südkaper. Ich begebe mich deshalb auf einen Tagesausflug, um von meinem Aufenthalt hier an der argentinischen Atlantikküste möglichst viel zu profitieren. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
Naturschutzgebiet Halbinsel Valdes
Zusammen mit nur vier weiteren Gästen verlasse ich morgens um 7:30 Uhr die Stadt Puerto Madryn und fahre mit unserem Reiseleiter in nördliche Richtung. Eine halbe Stunde später sind wir bereits beim Eingang zur “Area Natural Protegida Península Valdés”, dem Naturschutzgebiet Halbinsel Valdes. Es umfasst knapp 9000 km2. Mehr als genug also, um den ganzen Tag viel Neues und Interessantes erkunden und sehen zu können. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
Hervorragendes Besucherzentrum
Wir machen einen Halt beim Besucherzentrum. Die umfangreiche Information zur Fauna, Flora, Geschichte etc. ist in verständlicher und anschaulicher Weise dargestellt. So können wir uns eine gute Idee davon machen, was uns in den kommenden Stunden erwartet.
Die moderne Geschichte der Halbinsel Valdes geht rund 130 Jahre zurück. 1897 liess sich der Baske Don Felix Olazábal auf der Halbinsel nieder und verschrieb sich der Schafzucht. Es folgten ihm weitere Siedler, sodass das Gebiet heute auf 60 private Eigentümer aufgeteilt ist. Es leben rund 400 Leute auf der Halbinsel. Die Hauptbeschäftigung und -einnahmequelle ist die Schafhaltung. Einige Estancias betreiben zudem einfachen Ökotourismus. In früheren Zeiten war der Salzabbau ein wichtiger Wirtschaftszweig. Eng damit verbunden war der Bau und Betrieb einer Eisenbahn. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel diese Branche jedoch in sich zusammen.
Seit 1999 gilt die Halbinsel Valdes als ein Weltnaturerbe, 2012 wurde sie zudem zu einem Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung gemäss Ramsar-Konvention erklärt. Nur zwei Jahre später – 2014 – erhielt sich zudem das Prädikat UNESCO Biosphärenreservat.
Südkaper – die grosse Attraktion
Nach dieser sehr hilfreichen thematischen Einführung im Besucherzentrum seht nun einer der Höhepunkte des Tages auf dem Programm. Das Dorf Puerto Pirámides mit seinen weniger als 1000 Einwohner lebt voll und ganz vom Tourismus, primär von der Walbeobachtung im Golfo Nuevo. In der zweiten Jahreshälfte kommen jeweils unzählige Südkaper zur Halbinsel Valdes, um dort ihr Kalb zu gebären und es auf die schwierige Reise in den Süden vorzubereiten. Die Berechenbarkeit, mit welcher die Tiere während dieser Monate und unweit des Ufers gesehen werden können, lockt jedes Jahr zahlreiche Besucher aus nah und fern hierher. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
Südkaper Valdes Patagonien
Wir machen uns nun also auf, diese rund 15 m langen und 50 t schweren Riesen in ihrem natürlichen Umfeld zu beobachten. Alle sind kribbelig und können es kaum erwarten, in See zu stechen.
Der Check-in an Land ist schnell erledigt. Voller Erwartung und Vorfreude begeben wir uns zum Boot. In unseren Regenponchos und Schwimmwestes sehen wir aus wie farbige Badeenten. Wegen der Gezeiten gibt es hier keinen Schiffssteg. Stattdessen werden die Boote mit einem ausgeklügelten System aus Anhängern und Traktoren bewegt.
Es vergehen wenige Minuten, bis der Kapitän bereits einen ersten Südkaper sichtet und ihn ansteuert.
Südkaper Valdes Patagonien
Seit meinem Umzug nach Patagonien vor sechs Jahren habe ich unzählige Buckelwale gesehen. Einen Südkaper zu beobachten, erst noch Mutter mit Kalb, und das aus nächster Nähe, hat mich aber dennoch emotional extrem berührt. Wie massig und gleichzeitig sanft diese Säuger doch sind! Ein echtes Wunder der Natur. Während unseres rund 1.5-stündigen Bootsausflugs begegnen wir bestimmt 15 oder noch mehr Individuen. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
Gute und schlechte Nachrichten für den Südkaper
Um die Jahrhundertwende (19./20. Jh.) wurde der Südkaper stark gejagt und an den Rand des Aussterbens getrieben. Die Art wird auf Englisch “Southern Right Whale” genannt, übersetzt bedeutet dies “südlicher, richtiger Wal”. Richtig daher, weil das tote Tier – anders als die meisten anderen Walarten – an der Oberfläche schwimmt, was den Transport zur Walfangstation erheblich vereinfachte. Seit 1937 ist der Südkaper geschützt und darf nicht mehr gejagt werden. Die globale Population hat sich seither erfreulich stark erholt. Alleine die Region um die Halbinsel Valdes zählt jährlich rund 2000 Individuen.
Seit ein paar Jahrzehnten sehen sich die Südkaper vor Valdes jedoch mit einer neuen Plage oder gar ernsthaften Bedrohung konfrontiert. Die Dominikanermöwe hat sich aufgrund mangelhaften Abfallmanagements (Siedlungs- und Fischereiabfälle) stark vermehrt. Diese Überpopulation hat dazu geführt, dass sie die Möwen alternative Nahrungsquellen gesucht und bei den Südkapern gefunden haben. Sie reissen mit ihren kräftigen Schnäbeln Fleisch- und Fettstücke beachtlicher Grösse aus dem Rücken der Wale heraus. Um diesen Angriffen auszuweichen, verbringen die Wale unnatürlich viel Zeit unter Wasser. Dies wiederum kostet sie viel Energie. Energie, die eigentlich eingesetzt werden müsste, um sich auf die lange und beschwerliche Reise in den Süden vorzubereiten.
Ostküste: Pinguine und See-Elefanten
Nach diesem eindrücklichen und berührenden Bootsausflug fahren wir an die Ostküste der Halbinsel. Hier erwartet uns eine kleine Kolonie von Magellanpinguinen. Die Tiere sind fleissig daran, ihr Nest herzurichten, um schon bald das Ei darin abzulegen. Nur wenig weiter südlich liegt Punta Cantor. Sie ist bekannt dafür, die weltweit einzige kontinentale See-Elefanten-Kolonie zu sein. Leider ist die Population durch die Vogelgrippe stark dezimiert worden. Wo normalerweise hunderte dieser Tiere an der Sonne liegen und sich ausruhen, gibt es aktuell nur deren 20 bis 30. Die Sterblichkeit der Jungen liegt bei extrem hohen 70%, wo sie sich doch sonst im tiefen einstelligen Bereich bewegt. Nichtsdestotrotz ist der Spaziergang durch die Steppe zur Kolonie der Südlichen See-Elefanten wohltuend und interessant. Der mächtige Atlantik ist stets im Blickfeld und die Flora vielfältig und wunderschön anzuschauen. Wer mag, gönnt sich im einfachen Restaurant noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen oder ein Sandwich. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
Steppe als artenreicher Lebensraum
Die Rückkehr nach Puerto Madryn erfolgt via Punta Delgada. Die Gegend ist relativ eben, ab und zu hat es eine leichte Erhebung im Gelände oder ein kleines Tal. Als Konsequenz ihrer geografischen Lage und somit der geringen Niederschlagsmengen weist die Halbinsel vor allem Steppenvegetation auf. Knie- bis hüfthohe Gebüsche und Steppengräser dominieren die Landschaft. So unbewohnt dieses Gebiet auch scheinen mag – es leben durchaus Tiere hier. Immer wieder mal sehen wir einen Andenbussard, Rabengeier oder Punabussard über unserem Auto durchfliegen oder auf einem Zaunpfahl ruhen. Auch Perltinamus sind häufig in dieser Gegend. Der lange Hals des Darwin-Nandus lässt sich zum Glück auch aus der Ferne leicht ausmachen, was das Erspähen dieses straussähnlichen Tieres einigermassen einfach macht. Mein Favorit ist jedoch der Grosse Pampashase (Grosser Mara). Dieser Nager gehört zur Familie der Meerschweinchen und sieht mit seinen Ohren und langen Beinen dem Feldhasen ziemlich ähnlich. Er ist in Argentinien endemisch und bevorzugt als Lebensraum offene Steppenlandschaften. Wir dürfen uns an der Sichtung von insgesamt rund 15 Individuen erfreuen.
Noch viel zu erkunden und geniessen
Die Halbinsel Valdes hat sich mir von seiner attraktivsten Seite gezeigt. Die Wale sind schlicht atemberaubend. Aber auch die Landtiere, die Vögel und die weiten Landschaften haben es mir sehr angetan. Ich habe nun einen ersten Eindruck dieser einzigartigen Gegend erhalten. Sehr gerne möchte ich jedoch in absehbarer Zukunft hierher zurückkehren und die vielen Schätze der Halbinsel noch besser kennenlernen. Ganz im Norden (Punta Norte) beispielsweise kamen wir nicht vorbei, auch die Küste des Golfo San José liessen wir aussen vor. Und die Walbeobachtung war derart eindrücklich, dass ich auch auf einem zweiten oder dritten derartigen Ausflug bestimmt ganz aus dem Häuschen sein würde. Argentinien Walbeobachtung Südkaper Valdes
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